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SachsenEnergie Newsroom Im Fokus Wind von gestern
„Die erneuerbaren Energien müssen erwachsen werden“

Die Energiewende hin zur Klimaneutralität ist beschlossen – Naturkraft wird der Treiber sein. SachsenEnergie-Chef Dr. Frank Brinkmann
und Solarpionier Prof. Timo Leukefeld im Gespräch über die Zukunft der erneuerbaren Energien – und welche Herausforderungen es dabei zu bewältigen gilt.

Mit dem Wind von gestern kann man heute nicht mehr mahlen

Vor den Toren von Dresden steht die 1691 erbaute Possendorfer Windmühle, die fast 300 Jahre lang in Betrieb war. Heute ist sie ein technisches Denkmal. Über die Zukunft erneuerbarer Energien sprachen dort Solarexperte Prof. Timo Leukefeld und Dr. Frank Brinkmann, Vorstandsvorsitzender von SachsenEnergie.

Welche Kräfte der Natur haben Sie schon als Kind fasziniert?

Frank Brinkmann: Das Brennglas, mit dem ich ein Lagerfeuer anzünden konnte, war für mich ein Erlebnis. Also die Kraft der Sonne. Als Wildwasserpaddler habe ich die enormen Kräfte des Wassers kennengelernt und beim Surfen die des Windes.

Timo Leukefeld: Ich bin in einer Försterei aufgewachsen, da habe ich von meiner Mutter – sie war die Försterin – eine Menge lernen dürfen. Die Naturkräfte waren allgegenwärtig. Geheizt haben wir mit Holz.

Was hat Sie zu den erneuerbaren Energien gebracht?

Leukefeld: In den achtziger Jahren hätte ich gerne Archäologie studiert, aber keinen Studienplatz bekommen, das ging in der DDR für mich nicht. Ich habe dann Instandhaltungsmechaniker gelernt und mir immer mehr gedacht, was wir da an Kohle verheizen, das verpestet nur die Luft. Als die Mauer fiel, habe ich Energetik in Freiberg studiert und mich sehr für Solarenergie interessiert. Das Thema steckte in den Kinderschuhen, deshalb sah ich mich in Spanien, der Schweiz und auch in Indonesien um.

Brinkmann: Ich habe Physik in Freiburg studiert und mich sowohl intensiv mit der Kernenergie als auch mit den physikalischen Grundlagen von erneuerbaren Energien beschäftigt. Nach dem Physikstudium promovierte ich noch in Betriebswirtschaftslehre.

Den erneuerbaren Energien blieben Sie aber treu …

Brinkmann: Ja, ich habe schon in den 2000er-Jahren bei der RheinEnergie-Gruppe diesen Bereich aufgebaut, ein Portfolio mit Windkraft- und Solaranlagen. Und bei der Dortmunder Energieversorgung auch. Als ich dann nach Sachsen kam, standen die erneuerbaren Energien erst einmal nicht im Fokus.

Warum?

Brinkmann: Sachsen war noch nicht so weit. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für neue Anlagen waren damals komplizierter als heute. Und es gab andere Themen zu bewältigen, die Fusion von ENSO und DREWAG zu SachsenEnergie zum Beispiel. Wir mussten als Konzern die Voraussetzungen schaffen, um wachsen zu können. Das haben wir geschafft und investieren jetzt jährlich 100 Millionen Euro in großflächige Solaranlagen und Windräder in Sachsen. All das bündelt sich im neuen Geschäftsfeld NaturKraft.

Leukefeld: Das halte ich für einen guten Namen – endlich mal kein englischer Begriff. Und die generelle Richtung finde ich natürlich auch gut.

Brinkmann: Die erneuerbaren Energien müssen jetzt erwachsen werden. Wenn sie einen immer größeren Anteil am Strommix haben, muss das einem durchdachten Plan folgen und es muss gesteuert werden. In Sachsen bläst weder immer der Wind noch scheint immer die Sonne. Also brauchen wir Speicher und Lösungen für Tage und Wochen, wo Wind und Sonne uns kaum Strom liefern.

Leukefeld: Das ist ganz wichtig. Wir bewegen uns hin zu einer Stromgesellschaft. Autos werden elektrisch, es wird immer mehr mit Strom geheizt. Das sind riesige Veränderungen, die ich zwar befürworte, weil sie uns den Weg in die Klimaneutralität bahnen, aber ich sehe auch die Herausforderungen, das alles zu bewältigen.

Brinkmann: Die Bedeutung von Strom steigt stark an, das ist klar. Wir wandeln uns zu einer regenerativen Gesellschaft, die Großtechnologien verlieren an Bedeutung. Denn die Energiewende findet vor Ort statt, mit lokalen Anlagen. Ich nenne das Einsammel-Technologien. Natürlich produziert keine Solar- oder Windkraftanlage so viel Energie wie ein Atomkraftwerk. Aber viele in der Fläche verteilte Anlagen schaffen das eben doch.

„Ich sehe auch die Herausforderungen, das alles zu bewältigen.“ Prof. Timo Leukefeld

studierte nach einer Lehre als Mechaniker an der TU Bergakademie Freiberg Energetik. Früh spezialisierte er sich auf Solarenergie. Heute berät er mit seiner Firma Kommunen, Wohnungsunternehmen und Banken auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Was bedeutet das für die Stromnetze?

Brinkmann: Idealerweise bringen sie regionalen Verbrauch und regionale Erzeugung zusammen.

Leukefeld: Mit meiner Firma berate ich bei der Energieplanung zum Beispiel Genossenschaften, die Wohnhäuser neu bauen oder renovieren. Das Thema Energieautarkie – also die Unabhängigkeit von externen Energielieferungen – überzeugt da jeden, weil sowohl Mieter als auch Vermieter profitieren. Mit Solaranlagen auf dem Dach können Sie einen Großteil des Bedarfs abdecken, wenn die Heizsysteme darauf abgestimmt sind.

Meinen Sie Wärmepumpen?

Leukefeld: Ich persönlich empfehle Wärmepumpen nicht mehr, weil es mittlerweile deutlich bessere Systeme gibt. Infrarotpaneele liefern eine sehr angenehme Strahlungswärme und sind auf Jahrzehnte gerechnet die günstigste Art, Wohnungen zu heizen. Wichtig ist zu verstehen, dass jedes Gebäude ein Einzelfall ist. Wer schon eine Wärmepumpe hat, soll sie natürlich nutzen, solange es geht.

Brinkmann: Ein weiterer Punkt ist es, dass es dem Wirtschaftsstandort Sachsen hilft, wenn erneuerbare Energien in der Region vorhanden sind. Bei Industrieansiedlungen ist es mittlerweile normal, dass Investoren nach 100 Prozent grünem Strom verlangen. Sonst suchen sie sich ganz einfach einen anderen Standort.

Viele Bürgerinnen und Bürger stehen der von der Bundesregierung forcierten Energiewende skeptisch gegenüber. Können Sie diese Skepsis nachvollziehen?

Leukefeld: Ich kenne viele Menschen, die extrem verunsichert sind von der Energiepolitik. Als der Zwang zur Wärmepumpe angekündigt wurde, haben die Deutschen noch schnell 100.000 Gasthermen eingebaut. Diese Fakten sprechen für sich. Am Ende funktioniert es nicht mit Verboten, Moralisierung und Ideologie.

Brinkmann: Ja, der Gesetzentwurf ist nach hinten losgegangen. Wir hatten im vergangenen Winter viele Anrufe bei unserem Kundenservice wegen der Energiekrise und der Befürchtung, dass die Versorgung zusammenbricht. Viermal mehr Anrufe als sonst. Das hatte sich im Frühling alles wieder beruhigt. Bis dann das Energiegesetz kam. Rumms, wieder so viele Anrufe wie im Winter. Weil alle Angst hatten. Diesmal aber hausgemacht. Der faktische Zwang zum Einbau einer oft sehr teuren Wärmepumpe war der Kardinalfehler.

„Die Energiewende wird nur funktionieren, wenn sie wirtschaftlich ist.“ Dr. Frank Brinkmann

ist seit 2021 Vorstandsvorsitzender der SachsenEnergie AG. Zuvor war der Diplomphysiker und promovierte Betriebswirt Sprecher der DREWAG-Geschäftsleitung und Vorstandsmitglied der ENSO, den beiden Unternehmen, die zu SachsenEnergie geworden sind.

Ärgert Sie das?

Brinkmann: Mich ärgert, wie da eine Chance vergeben worden ist. Wir haben nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine schnell gemerkt, dass wir zu abhängig vom russischen Gas sind. Da war eine positive Stimmung für die Energiewende da. Es geht um Freiheits-Energie, das haben die Leute gespürt. Es ist traurig, wie das verdaddelt worden ist.

Leukefeld: Die 100.000 neuen Gasheizungen haben wir jetzt für ein paar Jahrzehnte. Das ist leider nicht gut für die deutsche CO-Bilanz.

Brinkmann: Mir ist die Sicht auf den deutschen CO-Ausstoß manchmal zu verengt. Unser Ausstoß ist global gesehen nicht der relevanteste, um das Klima zu retten, dazu sind wir als Land zu klein. Im Vergleich mit vielen anderen Industrienationen sind wir zwar sehr gut im Energiesparen. Schauen Sie mal nach England, wo jeder Pub bei seinen Fenstern gerade mal eine Einfachverglasung hat. Ich halte es dennoch für eine deutsche Selbstüberschätzung, wenn wir uns als Ziel setzen, auf globaler Ebene einen entscheidenden Beitrag zu leisten. Ich halte es für viel sinnvoller, eine Blaupause zu schaffen für die Energiewende, an der sich andere orientieren können.

Wie könnte so eine Blaupause aussehen?

Brinkmann: Wir müssten zeigen, wie wir es mit den richtigen Technologien schaffen, die Energiewende zur Klimaneutralität hinzukriegen ohne nennenswerten Wohlstands- und Bequemlichkeitsverlust.

Leukefeld: Ich fürchte, diese Vorbildfunktion für andere Länder haben wir aktuell nicht. Ich habe neulich einen Vortrag in Taiwan gehalten und bin von allen gefragt worden: Was ist bei euch los? Warum sind die Wirtschaftsdaten so schwach?

Brinkmann: Ich bin dennoch zuversichtlich, dass wir das schaffen können, wieder ein Vorbild zu werden. Die Rahmenbedingungen für die Energiewende sind viel besser geworden. Und grundsätzlich ist die Naturkraft überall da, wir müssen sie nur klug einsammeln. Was wichtig ist: Wir müssen die Ökologie und die Ökonomie zusammenbringen. Die Energiewende wird nur funktionieren, wenn sie wirtschaftlich ist, wenn sowohl die Bürger als auch die Industrie sich das leisten können. Wenn wir das so gestalten, und daran arbeiten wir alle mit Überzeugung, dann werden wir wieder Vorreiter sein.

Sie haben die Bedeutung von lokaler und regionaler Energieerzeugung angesprochen. Welche Rolle spielt die kommunale Wärmeplanung für die Klimaneutralität?

Brinkmann: Eine große. Die Bundesregierung hat die Kommunen verpflichtet, die Energiewende vor Ort umzusetzen, insofern ist der Begriff Wärmeplanung etwas verkürzt. Insgesamt begrüße ich das, weil niemand sein Gebiet so gut kennt wie die Gemeinden selbst. Es ist eine enorme Chance, wenn regional nach der besten Lösung gesucht wird und solche Zusammenhänge wie Industrieansiedlung und Grünstrom berücksichtigt werden. Damit werden die Arbeitsplätze der Zukunft gesichert. Wir als SachsenEnergie sind der natürliche Partner für diese Planungen im Freistaat, weil wir alle Kenntnisse zu Netzen und Technologien haben und unser Herz für die Region schlägt.

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